Kapitel 20: Modalverben


20.3 Unterscheidung von sollen und müssen in der Duden Grammatik

Gründet die Forderung im Willen einer Person oder Instanz steht sollen, wenn der Freiheitsgrad   nicht eingeschränkt ist

Es wird Bezug genommen auf Duden, Die Grammatik, Mannheim, 1994, Seite 96 ff.

Der Duden unterscheidet zwischen einer Hauptbedeutung und Nebenbedeutungen. Die Hauptbedeutung von müssen ist nach der Duden Systematik Notwendigkeit. Die Ursachen der Notwendigkeit werden dann wie folgt unterteilt.

Unterscheidungen
a) eine natürliche Kraft, Gewalt (Es war so kalt, dass man drei Pullover anziehen musste)
b) eine aus dem Gefühl oder Gemüt kommender innerer Zwang (Er musste weinen vor Freude)
c) ein Naturgesetz oder eine schicksalhafte Bestimmung (Was geschehen muss, wird geschehen; Die     potentielle Energie muss der kinetischen Energie entsprechen)
d) eine Forderung der Sitte, des Rechts, des Gesetzes (Jeder, der Auto fährt, muss einen Führerschein     haben)
e) ein Zweck oder ein Ziel (Wenn ihr Geld verdienen wollt, müsst ihr hart arbeiten)
f) ein Gebot, Befehl (Vor dem Betreten des Schwimmbades, muss man ein Ticket kaufen)

Dies deckt sich mit dem oben Gesagten, wenn auch Notwendigkeit in dem oben Gesagten so verstanden wird, dass dem Handelnden keine Alternative angeboten wird. Die Punkte a) bis f) bezeichnen aber ebenfalls Situationen, die keinen Handlungsspielraum zulassen.

Als eine Nebenbedeutung nennt der Duden Aufforderung, womit gemeint ist, dass hier eine Person an eine andere eine Forderung richtet.

Du sollst/musst das Fenster zumachen.
(Der Duden nennt als Beispiel: Du musst/sollst mich lieben! Ihr sollt/müsst dem sinnlosen Treiben ein Ende bereiten.)

In Bezug auf diese Bedeutung von müssen (Aufforderung) schreibt der Duden dann aber etwas, was den Leser verblüfft wie das rätselhafte Lächeln der Mona Lisa.

"Dementensprechend kann müssen hier (in der Bedeutung von Aufforderung) immer durch sollen ersetzt werden."

Der Autor würde sagen, dass Deutsche in diesen Fällen ausschließlich sollen verwenden.

Du sollst jetzt den Mund halten.
nicht:
Du musst jetzt den Mund halten.
Du sollst dich zum Teufel scheren.
nicht:
Du musst dich zum Teufel scheren.
Du sollst dich hinsetzen.
nicht:
Du musst dich hinsetzen.


Der Autor würde behaupten, dass der Duden hier eine Kleinigkeit übersieht und etwas behauptet, was dem Sprachgefühl der Deutschen zuwider läuft. In Sätzen, wo einzig der Wille einer Person es ist, der ein bestimmtes Verhalten fordert, steht im Deutschen sollen. Dies ist in den oberen Sätzen der Fall. In einem Satz wie "Du sollst dich zum Teufel scheren" ist es allein der Wille des Fordernden, der ein bestimmtes Verhalten fordert. Der Fordernde fordert in diesen Fällen nicht stellvertretend für eine höhere Gewalt, Gesetz, Moral etc.
(siehe Kapitel 20.3.3) In diesem Fall kann sollen auch nicht durch müssen ersetzt werden.

Es sind Fälle vorstellbar, wo auch das Spanische eine Aufforderung mit deber übersetzt, wer länger darüber nachdenkt, wird zwischen

Du sollst dich hinsetzen
und Setz dich

einen Unterschied feststellen (der Imperativ ist lange nicht so forsch wie das sollen). Wir brechen hier die Diskussion ab, in der Regel kann aber davon ausgegangen werden, dass im Spanischen diese Sätze mit dem Imperativ übersetzt werden.

zwei Beispielsätze

¡Cállate! = Du sollst jetzt den Mund halten!

¡Siéntate! = Du sollst dich hinsetzen!



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