9.1.11 Subjuntivo
bei Ereignissen, die als vollendet, bzw. sich im Vollzug
befindlich imaginiert werden
Das
deutsche System bricht zwar an dieser Stelle vollkommen
auseinander und wird aus systematischer Sicht inkongruent,
klar jedoch ist, dass imaginierte Handlungen, Handlungen
die lediglich befürchtet bzw. erhofft werden, als
in Bezug auf den Sprechzeitpunkt vollendet oder als
sich im Prozess befindlich dargestellt werden müssen.
Warum ist das Deutsche hier aus systematischer Sicht
inkongruent?
Betrachten Sie einmal diese Sätze.
Der
Sprechzeitpunkt ist die Gegenwart
Die imaginierte
Handlung ist abgeschlossen:Ich fürchte,
dass er gekommen ist.
Die imaginierte
Handlung ist nicht abgeschlossen: Ich fürchte,
dass er kommt.
Der
Sprechzeitpunkt ist die Vergangenheit
Die imaginierte
Handlung ist abgeschlossen: Ich fürchtete,
dass er gekommen sei.
Die imaginierte
Handlung ist nicht abgeschlossen: Ich fürchtete,
dass er käme.
Fällt Ihnen was auf? Schauen
Sie mal genau hin. Immer noch nicht? Schauen Sie nochmal
hin. Und?
Ist der Sprechzeitpunkt die Gegenwart ("fürchte"), haben wir einen
schlichten Indikativ, "gekommen ist" bzw. "kommt". Ist der
Sprechzeitpunkt allerdings die Vergangenheit ("fürchtete"), haben
wir einen Konjunktiv, "gekommen sei", bzw. "käme". Wir
wollen das hier nicht weiter vertiefen, da die Skurrilitäten der deutschen
Sprache im Moment nicht unser Thema sind. Eine weitere Vertiefung würde
das Chaos auch lediglich vergrößern, von daher lassen wir es. Wer
Spaß an Karneval hat, möge auf diesen Link cliquen, www.franzoesisch-lehrbuch.de/grammatik/kapitel8/...nach_verben_der_mentalen_durchdringung.htm
dann weiter, weiter, weiter, aber wie gesagt, es wird nicht wirklich besser,
wenn man länger darüber nachdenkt.
Es reicht uns festzustellen, dass man auch bei einem lediglich imaginierten Ereignis
unterscheiden muss, ob das imaginierte Ereignis vollendet ist, oder als im Sprechzeitpunkt
sich vollziehend imaginiert wird.
Der
Sprechzeitpunkt ist die Gegenwart
a) Ich hoffe,
dass er die Klappe gehalten hat.
a) Espero que se haya callado.
b) Ich hoffe,
dass er die Klappe hält.
b) Espero que se calle.
c) Ich hoffe,
dass er die Klappe halten würde.
c) Espero que se calle.
Der
Sprechzeitpunkt ist die Vergangenheit
a) Ich hoffte,
dass er die Klappe gehalten hätte.
a) Esperaba que se hubiera callado.
b) Ich hoffte,
dass er die Klappe hielte.
b) Esperaba que se callara.
c) Ich hoffte,
dass er die Klappe halten würde.
c ) Esperaba que se callara.
Bei a) hofft der Bankräuber,
dass sein Komplize der Polizei nicht bereits alles
gesagt hat.
Bei b) sitzt er in seiner Zelle, während sein Komplize verhört wird
und hofft, dass er der Polizei nicht verrät, wo sich der Schatz befindet,
und bei c) hofft er, dass er das Versteck auch in Zukunft nicht verrät.
Wenn allerdings der Sprechzeitpunkt in der Vergangenheit ist, wird das deutsche
System noch wackeliger.
Über den etwas unmotivierten Wechsel vom Indikativ zum Konjunktiv sehen
wir großzügig hinweg, aber
das "Klappe hielte" und "Klappe halten würde" das
ist schon stärkerer Tobak. Hier sollte mit einer Petition an
den deutschen Bundestag und geeigneter gesetzgeberischer Verfahren Abhilfe
geschaffen werden.
Bedingt durch die Tatsache, dass die Konstruktion "würde + Infinitiv" einen
unbekannten / ungebräuchlichen
Konjunktiv II ersetzen kann, kann zwischen Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit
nicht mehr unterschieden werden, wenn der Anker, also der Zeitpunkt der Imagination,
in der Vergangenheit liegt.
Man kann c) durchaus auch so interpretieren, dass er in seiner Zelle sitzt
und hofft, dass der Andere im parallel dazu verlaufenden Verhör die Klappe
hält. Das Deutsche hat hier also einige Probleme, die letztlich nur der
Gesetzgeber lösen kann. Wenn aber Beamte selbst den Krümmungswinkel
einer Gurke zur allgemeinen Zufriedenheit festlegen können, ist der deutsche
Konjunktiv für einen ordentlichen Beamten sicher keine große Herausforderung.
Das spanische System auf jeden Fall ist stabil, wobei wir, wie schon mehrfach
erwähnt, unter einem stabilen System verstehen, dass alle Muttersprachler
zur gleichen Lösung kommen.
Zwar kann auch das Spanische
bei Verben, die den Subjuntivo verlangen, zwischen
Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit nicht sicher
unterscheiden, aber letztlich ist das egal, weil
der Subjuntivo ja ohnehin Unsicherheit ausdrückt,
ein Bezug zur Zukunft also immer besteht, denn nur
die Zukunft ist ungewiss.
a)Espero que se haya
callado.= Ich hoffe, dass er die Klappe
gehalten hat. b)
Espero que se calle.=
Ich hoffe, dass er die Klappe hält.
c)
Espero que se calle.=
Ich hoffe, dass er die Klappe halten wird.
a)
Esperaba
que se hubiera callado. =
Ich hoffte, dass er die Klappe gehalten hätte.
b)
Esperaba que se callara. =
Ich hoffte, dass er die Klappe hielte.
c)
Esperaba que se callara. =
Ich hoffte, dass er die Klappe halten würde.
Wir sehen also, dass das Spanische durchgehend mit dem Subjuntivo konstruiert,
und wir sind durchaus der Meinung, dass dieses System kongruenter ist.
Dasselbe Problem begegnet einem
auch mit Konjunktionen, die den Subjuntivo verlangen.
Wahrscheinlich ist es sogar so, dass einem im Zusammenhang
mit Konjunktionen zum ersten Mal bewusst wird, dass
hier ein Problem steckt. Es ist klar, dass diese Sätze nicht das
Gleiche meinen.
Der
Sprechzeitpunkt ist die Gegenwart
aa) Sie sagt
mir Bescheid, wenn er angekommen ist. aa) Me avisa cuando haya llegado. Die Handlung wird als vollendet imaginiert.
bb) Sie sagt
mir Bescheid, wenn er ankommt.
bb) Me avisa cuandollegue.
Die Handlung wird als sich im Vollzug befindlich imaginiert.
Es ist wohl nicht das Gleiche, ob sie jemanden anruft, wenn ein Dritter angekommen
ist, also da ist, oder ob
sie ihr Handy in dem Moment in die Hand nimmt, in dem eben jener Dritte ankommt,
also der Zug in den
Bahnhof einfährt.
Wir müssen jetzt verstehen, dass der Vorgang lediglich imaginiert wird,
wenn der Sprechzeitpunkt die Gegenwart ist, auch wenn das Deutsche dies grammatikalisch
nicht zum Ausdruck bringt. Hinsichtlich der Handlung selbst, dem Eintreffen,
besteht die Unsicherheit, wenn der Sprechzeitpunkt die Gegenwart ist. Es ist
unklar, wann er eintrifft oder sogar ob er überhaupt eintrifft.
Dies ist sowohl bei aa) wie auch bei bb) so. aa) und bb) unterscheiden sich lediglich
darin, ob die Handlung
als vollendet, aa), oder als sich im Vollzug befindlich, bb), imaginiert wird.
Diese Unsicherheit erzwingt im Spanischen, völlig kongruent mit dem Gesamtsystem,
den Subjuntivo.
Der
Sprechzeitpunkt ist die Vergangenheit
a) Sie sagte
mir Bescheid, als er angekommen war. a) Me avisó cuando había llegado.
b) Sie sagte
mir Bescheid, als er ankam. b) Me avisó cuando llegaba.
Ist der Sprechzeitpunkt allerdings
die Vergangenheit, dann besteht diese Unsicherheit
nicht. Man mag das bedauern, aber Unsicherheit besteht
nur in Bezug auf die Zukunft. Die Vergangenheit jedoch
muss durch eine
Neuinterpration der Ereignisse verschönert werden, ändern kann man
nichts mehr.