Unsere
Aufmerksamkeit erregt die Konstruktion
... se me hizo intolerable... das heißt,
die Übersetzung des deutschen werden.
Das Spanische kennt für die verschiedenen Übergänge
von einem Zustand in den anderen verschiedene
Verben (ponerse, volverse, llegar a ser,
hacerse, convertirse, quedar und resultar).
Bei welchem Typ von Wandlung welches dieser
Verben zu verwenden ist, ist ein ausgesprochen
schwieriges Kapitel, und es lohnt sich,
den entsprechenden Abschnitt der Grammatik
noch einmal durchzulesen. Julio Cortázar übersetzt
nicht mit ...me hizo... sondern ...mit
...termino por volverse.... Wir sehen also
unsere These, dass die Übersetzung
des deutschen werden auf
sehr unterschiedliche Art und Weisen erfolgen
kann und die Regeln, wie es zu übersetzen
ist, öfter mal durchbrochen werden,
bestätigt. Eigentlich steht ...hacerse... für eine Wandlung, die das Subjekt, das sie erfährt,
willentlich herbeiführt. Volverse im
Gegenzug steht für eine Wandlung,
die das Subjekt,das sie erfährt, nicht
gewünscht hat. Die Konstruktion Julio
Cortázars ist also mit den "offiziellen" Regeln
eher vereinbar, als die Übersetzung,
die unseren Überlegungen zu Grunde
liegt.
Weiter stellen wir fest, dass die
Geschicht im indefinido weitergeht und
stellen weiter fest, dass Julio Cortázar
jetzt ebenfalls im indefenido fortfährt.
Pero la agonía de la incertidumbre
terminó por
volverse intolerable, y cautelosamente
me volví adelante,
con los brazos tendidos, desorbitados los
ojos en el deseo de captar el más
débil rayo de luz.
Wir haben es
mit mit einer kompexen Zeitenfoge zu tun
und werden uns deshalb den Abschnitt in
den zwei unterschiedlichen Übersetzungen
wie auch das englische Orginal nochmal
vor Augen führen.
Die Übersetzung,
mit der wir arbeiten
No sentí nada.
No obstante, temblaba a la idea de dar
un paso, pero me daba miedo tropezar contra
los muros de mi tumba. Brotaba el sudor
por todos mis poros, y en gruesas gotas
frías se detenía sobre mi
frente. A la larga, se me hizo intolerable
la agonía de la incertidumbre y
avancé con precaución, extendiendo
los brazos y con los ojos fuera de sus órbitas,
con la esperanza de hallar un débil
rayo de luz. Di algunos pasos, pero todo
estaba vacío y negro. Respiré con
mayor libertad. Por fin, me pareció evidente
que el destino que me habían reservado
no era el más espantoso de todos.
Die Übersetzung von Julio Cortázar
No sentí nada, pero no me atrevía
a dar un solo paso, por temor de que me
lo impidieran las paredes de una tumba.
Brotaba el sudor por todos mis poros y
tenía la frente empapada de gotas
heladas. Pero la agonía de la incertidumbre
terminó por volverse intolerable,
y cautelosamente me volví adelante,
con los brazos tendidos, desorbitados los
ojos en el deseo de captar el más
débil rayo de luz. Anduve así unos
cuantos pasos, pero todo seguía
siendo tiniebla y vacío. Respiré con
mayor libertad; por lo menos parecía
evidente que mi destino no era el más
espantoso de todos.
Das englische Orginal
I felt nothing; yet dreaded to move a step,
lest I should be impeded by the walls of
a TOMB. Perspiration burst from every pore,
and stood in cold big beads upon my forehead.
The agony of suspense grew at length intolerable,
and I cautiously moved forward, with my
arms extended , and my eyes straining from
their sockets, in the hope of catching
some faint ray of light.I proceeded for
many paces, but still all was blackness
and vacancy. I breathed more freely. It
seemed evident that mine was not, at least,
the most hideous of fates.
Deutsche Übersetzung
Ich fühlte nichts, aber ich wagte
vor Angst gegen eine Wand meiner Zelle
zu laufen auch nicht, einen Schritt nach
vorne zu machen. Schweiß drang aus
allen meinen Poren, und meine Stirn war
getränkt von kalten Tropfen. Aber
die durch die Unsicherheit hervorgerufene
Todesangst wurde unerträglich, und
vorsichtig ging ich weiter, mit ausgestreckten
Armen, die Augen aufgerissen in dem Wunsch,
einen schwachen Lichtschein zu erhaschen.
Ich ging einige Schritte, aber alles war
nur Nebel und Leere. Ich atmete mit tieferer
Freiheit; zumindest schien es offensichtlich,
dass mir nicht das allerschrecklichste
Schicksal bestimmt sein würde.
Wir
stellen also fest, dass die Übersetzung,
die unseren Überlegungen zugrunde
liegt, wie auch die Übersetzung von
Julio Cortázar hinsichtlich der
Zeiten absolut identisch sind, bis auf
das letzte Verb. Wir haben ein indefinido
... sentí ..., dann drei imperfectos
... daba .../ atrevía,
... brotaba ... / ... brotaba, ... detenía
.../... tenía ... Der
Rest sind dann alles indefinidos ...
hizo ... / ... terminó, ... avance
.../... volví ...,
... anduve .../..., dann ein imperfecto
... estaba .../
... seguía ...,
dann wieder indefinidos ...di
..., ... respiré .../... respiré.
Dann haben wir einen Unterschied ...
pareció .../...
parecía
Zu den vier imperfectos ist zu sagen, dass
sie tendenziell ausgreifend sind, das heißt,
dass sie die Grundhandlung für die
im indefinido beschriebenen Handlungen
sind, dass diese Handlungen in jene eingebettet
sind. Eine Handlung, die andauert und die
als unvollendet beschrieben wird, muss
zwangläufig zumindest teilweise als
Hintergrundhandlung der Ereignisse verstanden
werden, die im indefinido beschrieben werden.
Der Schweiß wird ihm wohl bei allen
folgenden Handlungen noch aus den Poren
getreten sein, und bei allen Handlungen
wird seine Stirn von kalten Tropfen bedeckt
gewesen sein. Diese zwei Handlungen sind
andauernd, überlappen sich mit den
anderen und stehen im imperfecto.
Bei dem
... no sentí nada ... sollte man
sich mal richtig klar machen, was gemeint
ist. Würde abgestellte auf das ...fühlen...
im psychischen Sinnen, wäre das indefinido
schlicht unerklärlich, bzw. könnte
dann, als Verb der geistigen Tätigkeit,
höchstens den Beginn des Fühlens
beschreiben, der hier aber eindeutig nicht
vorliegt.
Es handelt sich aber nicht um
dieses Fühlen. Gemeint ist das Fühlen
mit der Hand. Er hat vorher die Arme ausgestreckt
in der Erwartung, dass er auf einen Widerstand
stößt, was aber nicht passiert
ist. Diese Art von Nichtfühlen ist
eine punktuelle Handlung, die, das haben
punktuelle Handlungen nun mal so an sich,
eine abgeschlossene Handlung in abgeschlossener
Vergangenheit darstellt und folglich im
indefinido steht.
Schwierigkeiten bereitet
der Wechsel von indefinido auf imperfecto
in diesen Sätzen, den beide Übersetzungen
vornehmen.
Di algunos pasos, pero todo
estaba vacío y negro.
Anduve así unos
cuantos pasos, pero todo seguía
siendo tiniebla y vacío.
Man muss
sich jetzt mal folgendes klarmachen. Er
bewegt sich die ganze Zeit in stockdunkler
Finsternis. Und nach dem er einige Schritte
gemacht hat, bewegt er sich immer noch
in der Finsternis. Sein Vorwärtschreiten
ist also in die Finsternis eingebettet.
Die Finsternis ist eine Hintergrundhandlung
und das imperfecto bezeichnet sie als solche.
Als Hintergrundhandlung muss sie andauernd
sein, sonst kann man keine andere Handlungen
einbetten. Der englische Text markiert
die Hintergrundhandlung durch das schlichte
Wörtchen still.
I proceeded for many paces, but still all
was blackness and vacancy. Ich machte einige
Schritte, aber noch war
alles Finsternis und Leere.
Das indefinido
kann folglich nicht stehen, weil das indefinido
keine Hintergrundhandlung bezeichnen kann.
Es könnte und müsste stehen,
wenn man diesen Satz übersetzen will.
Ich ging einige Schritte, und plötzlich
umgab mich Finsternis.
= Di algunos pasos
y de repente estuve rodeado de la oscuridad.
Diesen Fall haben wir hier aber nicht.
Alle anderen Handlungen sind keine Grundhandlungen,
sondern punktuelle, aufeinanderfolgende.
Natürlich ist klar, dass das ...anduve...
eine andauernde Handlung beschreibt, diese
ist aber eingebettet in eine Handlungskette.
Zuerst war ihm die durch die Unsicherheit
hervorgerufene Angst unerträglich
geworden. Dann hat er ein paar Schritte
nach vorne gemacht und festgestellt, dass
nichts Schlimmes passiert ist. Dann hat
er aufgeatmet. Ein imperfecto wäre
nicht möglich, denn dieser würde
als Grundhandlung eine darauf folgende
Handlung in dieses Ereignis einbetten.
Interessant sind jetzt die zwei Sätze,
wo die Übersetzungen divergieren.
a) Por fin, me pareció evidente
que el destino que me habían reservado
no era el más espantoso de todos.
b) por lo menos parecía evidente
que mi destino no era el más
espantoso de todos.
Sowohl für a)
als auch für b) lassen sich Argumente
finden. a) stellt auf den Eintritt der
Imagination ab. Wir haben schon öfters
beschrieben, dass das indefinido bei Verben
der geistigen Tätigkeit auch den Eintritt
der Imagination kennzeichnet. a) stellt
auf den Eintritt der Imagination ab, was
ja auch durch das Adverb schließlich
unterstrichen wird. b) stellt das Andauernde
der Imagination in den Vordergrund, was
ja auch durch das ...por
lo menos... verdeutlicht wird. Übersetzen
wir die zwei Sätze ins Deutsche, dann
stellen wir auch im Deutschen, wenn dies
auch morphologisch nicht zum Ausdruck kommt,
fest, dass ...scheinen... jeweils
etwas anderes bedeutet.
a) Por fin, me
pareció evidente
que el destino que me habían reservado
no era el más espantoso de todos.
=> Schließlich schien es mir offensichtlich,
dass das Schicksal, welches man für
mich reserviert hatte, nicht das schrecklichste
von allen war. b) por lo menos parecía evidente
que mi destino no era el más
espantoso de todos. => Zumindest schien
es mir offensichtlich, dass mein Schicksal
nicht das schrecklichste war.
a) beschreibt
den Anfang einer Imagination, deren erstes
Auftreten nach einem bestimmten Zeitraum.
Dies wird durch das schließlich zum
Ausdruck gebracht.
b) beschreibt nicht
den Anfang der Imagination, es beschreibt
die Imagination als andauernden Zustand.
Weder ist bekannt, wann sie eingesetzt
hat, noch wann sie endete.
Es ist logisch,
dass sich jetzt eine Frage aufdrängt.
Welches wäre die Übersetzung
gewesen, die am dichtesten am Orginaltext
ist? Der englische Orginalsatz lautet so.
It seemed evident that mine was not, at
least, the most hideous of fates.
Es ist
wohl ziemlich klar, dass b) , also die Übersetzung
von Julio Cortázar diejenige ist,
die dichter am englischen Orginal ist.
Im englischen Orginal gibt es keinen Hinweis,
dass die Imagination zu einem bestimmten
Zeitpunkt eingesetzt hat, noch dass sie
zu einem bestimmten Zeitpunkt endet. Wer
an den Unterschied zwischen einer Beschreibung,
die auf den Moment des Eintretens der Imagination
abstellt und einer, die die Imagination
als andauernden Prozess beschreibt immer
noch nicht recht glaubt, dem sei gesagt,
dass das Deutsche hierfür sogar zwei
verschiedene Verben hat. Erscheinen stellt
eher auf den Moment des Eintretens der
Imagination ab, scheinen eher
auf das Andauernde der Imagination. (Diese
Unterscheidung ist zwar im metaphorischen
Sinne etwas verblasst, im nicht metaphorischen
Sinn ist sie aber vollkommen präsent.)
Er
erschien... stellt
auf einen punktuellen Prozess ab, während
der Satz ...Er schien... auf
das Andauernde verweist und im übrigen
auch was völlig anderes bedeutet.
In metaphoirscher Verwendung hat sich das
etwas verwischt, ist aber trotzdem vorhanden.
Metaphorisch
In dem Moment, in dem er es
mir sagte, erschien es mir logisch. Es
schien mir eigentlich günstig, bis
ich erfuhr, dass man es über das Internet
viel billiger bestellen kann.
Nicht metaphorisch
Die Sonne erschien am Horizont. Die Sonne
schien am Horizont. |