Wir werden
unten nochmal kurz auf die Übersetzung
an sich eingehen, aber wie schon öfter
erwähnt, interessiert uns das nicht
sonderlich. Wir interessieren uns ausschließlich
für den spanischen Text. Da wir hier
aber ein grammatikalisches Problem haben,
das wir anhand der richtigen Übersetzung
besser erläutern können, orientieren
sich die folgenden Überlegungen an
der Übersetzung von Julio Cortázar.
Apenas había dejado caer hacia atrás
la cabeza cuando relampagueó en
mi mente algo que sólo puedo describir
como la informe mitad de aquella idea de
liberación a que he aludido previamente
y de la cual sólo una parte flotaba
inciertamente en mi mente cuando llevé la
comida a mis ardientes labios.
Der Satz
von Julio Cortázar entspricht dem
englischen Orginal.
Scarcely had I dropped
my head back into its original position
when there flashed upon my mind what I
cannot better describe than as the unformed
half of that idea of deliverance to which
I have previously alluded, and of which
a moiety only floated indeterminately through
my brain when I raised food to my burning
lips.
Kaum hatte ich meinen Kopf in seine
alte Position zurück sinken lassen,
blitzte in meinem Geist etwas auf, das
ich nur als die wenig scharf umrissene
Hälfte jener Idee von Freiheit beschreiben
kann, die ich schon vorher ansprach und
von der nur eine Hälfte unbestimmt
in meinem Geist schwebte, als ich die
Nahrung zu meinen brennenden Lippen führte.
Das pluscuamperfecto ...
apenas había
dejado caer ... bereitet rein intuitiv
keine Probleme, die deutsche Konstruktion
ist völlig analog. Probleme entstehen
erst, wenn man darüber nachdenkt.
Wie bereits mehrfach erwähnt, entspricht
das pluscuamperfecto dem deutschen Plusquamperfekt,
Schwierigkeiten bereitet die Analyse, nicht
die Anwendung, das macht man als Deutscher
intuitiv richtig.
Man kann sich fragen,
was der Unterschied zwischen diesen beiden
Sätze ist, kann sich fragen, ob man
auch mit einem Imperfekt übersetzen
könnte.
a) Kaum lies ich meinen Kopf
in seine alte Position zurückfallen,
kam mir die entscheidende Idee.
b) Kaum
hatte ich meinen Kopf in seine alte Position
zurückfallen lassen, kam mir die entscheidende
Idee.
Wir hatten oben schon festgestellt,
dass das Imperfekt das Plusquamperfekt
nicht ersetzen kann, wenn es auf die Vorzeitigkeit
wesentlich ankommt. Satz a) klingt wohl
auch deswegen so merkwürdig, weil
das kaum in Verbindung
mit dem Imperfekt auch etwas anderes bedeuten
kann, die Vorzeitigkeit durch das kaum alleine
nicht ausreichend zum Ausdruck kommt. Wir
arbeiten das Problem anhand eines anderen
Beispieles schärfer heraus.
Betrachten
wir einmal folgende drei Sätze.
a)
Kaum sieht er mich, da verschwindet er.
b) Kaum sah er mich, da verschwand er.
c) Kaum hatte er mich gesehen, da verschwand
er.
a) bedeutet, dass er immer verschwindet,
wenn er mich sieht. b) ist doppeldeutig.
Es kann bedeuten, dass er in der Vergangenheit
immer verschwand, wenn er mich sah. Es
kann aber auch bedeuten, dass er verschwand,
als er mich sah, also lediglich ein einmaliges
Vorkommnis beschrieben wird. Das heißt,
wir haben unser altes Problem, das Imperfekt
kann das Plusquamperfekt nicht ersetzen,
wenn es auf die Vorzeitigkeit wesentlich
ankommt. Da das kaum selber doppeldeutig ist,
kann nur das Plusquamperfekt Klarheit schaffen.
Skurril an der ganzen Angelegenheit ist
der Tatbestand, dass die meisten Leute
jenseits jeder Analyse das richtig machen.
Man kann sich fragen, aber das kann man
sich beim Sprechen eigentlich immer fragen,
wieso man richtig sprechen kann, ohne im
Detail zu verstehen, warum es so gemacht
werden muss. Das Imperfekt kann sowohl
Gleichzeitigkeit wie auch Nachzeitigkeit
ausdrücken, und es kann auch bedeuten,
dass die Handlung sich wiederholte. Wenn
es also auf die Vorzeitigkeit wesentlich
ankommt, ist das Imperfekt nicht geeignet,
weil es noch andere Funktionen wahrnimmt.
c) ist eindeutig, weil das pluscuamperfecto
die Handlung eindeutig als in der Vorvergangenheit
abgeschlossen kennzeichnet. Die Unterscheidung
zwischen imperfecto und indefinido im Spanischen
ist manchmal lediglich durch die Grammatik
bedingt, hat keinen semantischen Wert an
sich. Das pluscuamperfecto / Plusquamperfekt
allerdings hat einen semantischen Wert,
seine Verwendung ist nicht nur durch die
innere Logik der Grammatik bedingt. Fazit:
In dem hier zu diskutierenden Satz muss
das pluscuamperfecto stehen.
"Unsere" Übersetzung übersetzt
falsch, ist aber linguistisch gesehen interessant.
Bei "unserer" Übersetzung kam ihm
die Idee, noch bevor er den Kopf hat zurückfallen
lassen, im englischen Orginal kam ihm die
Idee, nachdem er den Kopf hat zurückfallen
lassen. Wie bereits erwähnt, ist
"unsere" Übersetzung
aber linguistisch interessant. Wir können
auch bei dieser falschen Übersetzung
einmal das Plusquamperfekt mit dem Imperfekt
vergleichen.
Aún no había
dejado caer de nuevo mi cabeza en su primera
posición, cuando sentí brillar
en mi ...
1) Ich hatte meinen Kopf noch
nicht in seine alte Position zurückfallen
lassen, da spürte ich in mir etwas
glänzen ...
2) Ich liess meinen Kopf
noch nicht in seine alte Position zurückfallen,
da spürte ich in meinem Kopf etwas
glänzen ...
Es wird wohl jeder zustimmen,
wenn gesagt wird, dass 2) irgendwie nicht
richtig klingt. Die Frage ist nur, warum
klingt er nicht richtig?
Warum sind all
diese Sätze komisch? Warum kann das
Imperfekt mit ...noch nicht... nicht verwendet
werden, wenn eine zweite Handlung folgt,
während diese Konstellation
möglich ist, wenn keine weitere Handlung
folgt?
a) Ich rührte meine Cola noch
nicht an, da flog schon eine Wespe hinein.
anstatt: Ich hatte meine Cola noch nicht
angerührt, da flog schon eine Wespe
hinein.
a) Gott sei Dank baute ich das
Haus noch nicht, denn der Baugrund war
vergiftet.
anstatt: Gott sei Dank hatte
ich das Haus noch nicht gebaut, denn der
Baugrund war vergiftet.
a) Ich setzte mich
noch nicht mal hin, da fing er schon an,
rumzubrüllen.
anstatt: Ich hatte mich
noch nicht mal hingesetzt, da fing er schon
an, rumzubrüllen.
aber:
b) Damals wußte
ich es noch nicht.
Alternative: Damals
hatte ich es noch icht gewußt.
b)
Sie verdienten noch kein Geld.
Alternative:
Sie hatten noch kein Geld verdient.
c)
Weil sie noch kein Geld verdienten, konnten
sie auch nicht in Urlaub fahren.
Andere
Bedeutung: Weil sie noch kein Geld verdient
hatten, konnten sie auch nicht in Urlaub
fahren.
c) Während er noch nicht einmal
das Problem begriff, hatten sie schon die
Lösung. Andere Bedeutung: Während
er noch nicht einmal das Problem begriffen
hatte, hatten sie schon die Lösung.
Was unterscheidet die Sätze a) , b)
und c)? Bei a) haben wir das Problem, dass
es auf die Vorzeitigkeit wesentlich ankommt.
Verwendet man bei den a) Sätzen das
Imperfekt, wird das Anrühren der Cola
als Grundhandlung suggeriert, in die ein
anderes Ereignis eingebettet ist. Tatsächlich
ist es zwar so, dass es sich um Grundhandlungen
handelt und rein logisch ist es auch so,
dass die anderen Handlungen in diese Grundhandlungen
eingebettet sind, aber das ist nicht wesentlich,
das soll nicht ausgedrückt werden.
Entscheidend ist nicht die Tatsache, dass
wir eine Grundhandlung haben, sondern die
Vorzeitigkeit. Wenn er schon seine Cola
getrunken hätte, als die Wespe hineinflog,
wäre das nicht so schlimm, wie die
Tatsache, dass die Wespe sofort da war,
als die Cola auf dem Tisch stand, bevor
er noch trinken konnte. Beim zweiten Satz
ist entscheidend, dass er mit dem Hausbau noch nicht angefangen
hatte, denn sonst hätte
er es wieder abreissen müssen. Und
auch beim letzten Satz kann es schon sein,
dass das Sitzen eine Grundhandlung ist,
der eine saß, der andere brüllte,
aber das ist nicht entscheidend. Entscheidend
ist, dass er losbrüllte, bevor der
andere sich überhaupt setzen konnte.
Das Imperfekt negiert tendenziell die Vorzeitigkeit,
so dass die Sätze merkwürdig
klingen. Es ist offensichtlich, dass die
zwei Handlungen aufeinander folgten und
nicht die eine in die andere eingebettet
ist. Bei b) haben wir gar keine zweite
Handlung, so dass es auf die Kennzeichnung
der Vorzeitigkeit nicht wesentlich ankommt.
Man kann sowohl mit dem Plusquamperfekt
wie auch mit dem Imperfekt konstruieren.
Bei c) ist es wieder anders. Hier beschreibt
das Imperfekt tatsächlich eine Grundhandlung,
in die eine andere Handlung eingebettet
ist. Konstruiert man hier mit einem Plusquamperfekt,
werden die Ereignisse als aufeinander folgend
beschrieben. Fazit: Die Regel, dass das
Imperfekt das Plusquamperfekt nicht ersetzen
kann, wenn es auf die Vorzeitigkeit wesentlich
ankommt, ist zu ergänzen. Man kann
auch dann nicht das Plusquamperfekt durch
dasImperfekt ersetzen, wenn der Satz rein
semantisch die Vorzeitigkeit suggeriert,
die Funktion des Imperfektes, auch Gleichzeitigkeit
auszudrücken, ist bei solchen Sätzen
verwirrend und sollte vermieden werden.
Bleibt die letzte Frage. Wäre die
Verwendung des Imperfektes in "unserer" Übersetzung
richtig.
Aún no había dejado
caer de nuevo mi cabeza en su primera posición,
cuando sentí brillar en mi espíritu
algo [ raro ].
Ich hatte meinen Kopf noch
nicht in seine alte Position zurückfallen
lassen, als ich spürte, wie in mir
etwas [Merkwürdiges] aufblitzte.
Wir
haben es mit einem Satz vom Typ a) zu tun,
bei dem das imperfecto das pluscuamperfecto
nicht ersetzen kann. Es mag schon sein,
dass die Tatsache, dass der Kopf noch nicht
wieder in seine alte Position zurückgekehrt
war, als Grundhandlung aufgefasst werden
kann, und sein Geistesblitz ist hierin eingebettet.
Aber genau dieser Zusammenhang soll eben
nicht zum Ausdruck gebracht werden, es
ist die Vorzeitigkeit die betont werden
soll, nicht die Gleichzeitigkeit.
Dieser
Satz verdeutlicht auch, dass grammatikalische
Strukturen dann stabil sind, wenn sie auch
semantisch relevant sind. Da wo es semantisch
nicht relevant ist, unterscheidet das Deutsche
nicht zwischen einem Plusquamperfekt und einem
Imperfekt. Aber wo es semantisch
relevant ist, wird unterschieden. Wahrscheinlich
trifft das prinzipiell zu. Grammatikalische
Regeln ohne semantischen Eigenwert, tendieren
wohl dazu, sich aufzulösen.
Das indefinido
in dem Teilsatz ... cuando sentí brillar
en mi espíritu algo que sólo sabría definir,
aproximadamente ... ist einer jener skurrilen
und seltenen Fälle, bei dem wir durch
die grammatikalische Analyse allein nicht
entscheiden können, ob er in der Logik
der consecution temporum auf Zukünftiges
aus der Sicht der Vergangenheit verweist,
dies ist ja eine Funktion des condicional
I, wenn er von einem Verb der mentalen
Durchdringung, in unserem Falle ...sentí...
abhängt, oder ob es sich schlicht
um einen Welt, Wald und Wiesen Konditional
handelt. Rein grammatikalisch können
wir das nicht entscheiden, aber vom Inhalt
her ist klar, dass es sich um eine hypothetische
Schilderung handelt, wenn auch der Bedingunssatz,
etwa ...wenn
man mich fragen würde... fehlt.
Als ich in mir
etwas aufblitzen spürte, dass ich
nur ungefähr beschreiben könnte
[ wenn man mich fragen würde] .
Es
als Futur zu interpretieren, macht logisch
keinen Sinn. Es ist kein Futur, wie etwa
in diesem Satz.
Sentí que no me
diría la verdad. = Ich fühlte,
dass er mir nicht die Wahrheit sagen würde.
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