Kapitel 6: Die Zeiten |
6.2 Das Zeitensystem im Deutschen |
Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt |
Imperfekt | Perfekt | Plusquamperfekt |
Ich schrieb Du schriebst Er schrieb Wir schrieben Ihr schriebt Sie schrieben |
Ich habe geschrieben Du hast geschrieben Er hat geschrieben Wir haben geschrieben Ihr habt geschrieben Sie haben geschrieben |
Ich hatte geschrieben Du hattest geschrieben Er hatte geschrieben Wir hatten geschrieben Ihr hattet geschrieben Sie hatten geschrieben |
Die spannende Frage ist nun: Was
ist der Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen.
Ich schrieb einen Brief.
Ich habe einen Brief geschrieben.
Bei diesem Beispiel würden die meisten Deutschen so richtig gar keinen Unterschied erkennen. Nimmt man aber ein anderes Verb, dann finden die meisten Deutschen, dass es einen Unterschied gibt.
Ich verlor meinen Geldbeutel.
Ich habe meinen Geldbeutel verloren.
Ich hatte meinen Geldbeutel verloren.
Hier würden die meisten Deutschen sagen, dass im ersten Satz die Möglichkeit besteht, dass der Geldbeutel wieder aufgetaucht ist, bzw. es ist nicht klar, ob er nicht wieder da ist, da die Handlung für die Gegenwart keine Relevanz mehr besitzt. Im zweiten Satz ist es so, dass er eindeutig weg ist und im dritten Falle ist er sogar höchstwahrscheinlich wieder aufgetaucht. Wir können daraus wohl folgende Schlüsse ziehen. Erstens, die Sensibilität der Deutschen für Zeiten ist nicht besonders ausgeprägt. Zweitens, man muss sich wohl schon geeignete Beispiele ausdenken, um den Unterschied deutlich zu machen. Ein weiteres hübsches Beispiel findet sich im Duden. Wer morgens aus dem Fenster sieht und feststellt, dass Schnee gefallen ist, der wird sagen:
Es hat geschneit! und nicht Es schneite!
Hieraus können wir auch
eine Regel ableiten. Ist eine Handlung, die in der Vergangenheit
vollzogen wurde für die Gegenwart relevant, dann
verwenden wir das Perfekt. Ist eine Handlung in der
Vergangenheit zwar vollzogen worden, aber für die
Gegenwart nicht mehr relevant, dann verwenden wir das
Imperfekt. Zumindest theoretisch und bei einer geschickten
Auswahl der Beispiele ist dies richtig. Vielleicht würde
aber eine präzise Feldforschung und die daraus
gewonnenen empirischen Daten ergeben, dass der Deutsche
zwischen Imperfekt und Perfekt überhaupt nicht
unterscheidet. Das ist im Spanischen radikal anders.
Zwischen dem "pretérito imperfecto",
dem "pretérito indefinido" und dem
"pretérito perfecto" wird klar unterschieden,
das heißt, dass der Spanier eine nicht adäquate
Verwendung einer Zeit als falsch empfindet, während
der Deutsche dies wohl nur in sehr krassen Fällen
tut. Da sich die Funktionen der Zeiten im Spanischen
und im Deutschen nicht entsprechen, kann man eigentlich
auch Imperfekt nicht mit "pretérito imperfecto"
oder Perfekt mit pretérito
perfecto übersetzen.
Gewöhnlich macht man dies aber trotzdem, weil es
praktisch ist.
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