Zwischen creer und creerse besteht nicht nur ein semantischer Unterschied. Die Konstruktionen unterscheiden sich auch grammatikalisch. Das Reflexivpronomen ist hier auch nicht expletiv.
Se cree el rey del mundo. <=> Er hält sich für den König der Welt.
Das "se" kann hier absolut nicht weggelassen werden. Ließe man es weg, bliebe "Cree el rey del mundo" übrig. Dieser Satz wäre agrammatikalisch. Auf den ersten Blick sieht "el rey del mundo" wie ein Akkusativobjekt aus und würde man "el rey del mundo" durch ein Akkusativobjekt ersetzen, dann würde man dies tatsächlich mit einem Personalpronomen im Akkusativ tun: Se cree el rey del mundo => Se lo cree. (Dass es kein Dativ ist, ist relativ klar. Das ergäbe Se le cree <=> Man glaubt ihm.) Tatsächlich ist es aber kein Akkusativobjekt. Die Konstruktion ist äußerst skurril, denn im Grunde ist creer hier ein Kopulaverb, das heißt seine Funktion besteht darin, die Eigenschaften des Prädikatsnomen dem Subjekt des Satzes zuzuweisen. Deutlicher sieht man das, wenn man sich klar macht, dass auch ein Adjektiv stehen könnte.
Se cree rico. <=> Er hält sich für reich.
Für die Interpretation als "Kopulaverb" spricht auch die Tatsache, dass ein andere mögliche Übertragung ins Deutsche "Er meint, reich zu sein" wäre.
Die ganze Konstruktion ist vollkommen merkwürdig, denn sie hat zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen.
a) Se ha creído el rey del mundo. <=> Er hat sich für den König der Welt gehalten.
b) Se ha creído el cuento. <=> Er hat die Geschichte glatt geglaubt.
Es ist also nicht nur so, dass creer und creerse zwei unterschiedliche Bedeutungen haben, sondern creerse selbst hat nochmal zwei Bedeutungen. Sie kann a) sich halten für bedeuten und b) etwas glatt glauben im Sinne von reingelegt werden.
Die Konstruktionen sehen zwar identisch aus, sind aber grammatikalisch und semantisch völlig unterschiedlich. Creer kann als Akkusativobjekt nur einen Nebensatz haben:
Creo que no va a venir. <=> Lo creo.
Ich glaube, er kommt nicht. <=> Ich glaube es.
Creerse allerdings kann auch ein Substantiv als Akkusativobjekt haben:
Se ha creído el cuento <=> Se lo ha creído.
Er hat die Geschichte glatt geglaubt <=> Er hat es glatt geglaubt.
Wir sollten aber sehen, dass die Sätze grammatikalisch völlig unterschiedlich sind.
a) Se ha creído el rey del mundo.
b) Se ha creído el cuento.
"El rey del mundo" ist eine Art Prädikatsnomen, "el cuento" ist ein Akkusativobjekt. Und obwohl die Konstruktion ähnlich aussehen, bedeutet creerse bei a) "sich halten für" und bei b) "glauben" im Sinne von "glatt glauben" / "jemandem etwas abkaufen". In der Bedeutung von "sich halten für" kann es nicht ohne "Prädikatsnomen" verwendet werden. "Se lo cree" heiß also nicht "Er hält sich dafür", sondern "Er glaubt es".
Die hier und da eingestreuten sprachphilosophischen Bemerkungen kann man sich durchlesen. Wir sehen auch hier, dass Sprache nur einen Möglichkeitsraum eröffnet und die im jeweiligen Kontext passende Option bei Dekodierung des sprachlichen Inputs ausgewählt wird, was naheliegenderweise nur gelingen kann, wenn das Gehirn schon unsprachlich eine sehr genaue Vorstellung von der Situation hat. Die Sprache determiniert also das Denken nicht, aber das Denken schafft sich eine Sprache, die seiner Komplexität gerecht wird. Auch innerhalb des semantischen Feldes "glauben" hat das Verb creer weitere Bedeutungen, für die das Deutsche dann teilweise eigene Konstruktion hat.
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